Tumarkins Lebensweg: «Vor Ihnen müssen wir Alle den Hut ziehen!» (Samuel Singer, 1945)

Tumarkins Leben war von Erfolgen, aber auch Rückschlägen geprägt. Das Erreichen ihrer wissenschaftlichen Ziele fand nicht ohne Widerstände statt: Als Frau, Jüdin und Emigrantin aus dem Zarenreich war Tumarkin von den sich in den 1890er Jahren auch in Bern anbahnenden antisemitischen und frauenfeindlichen Strömungen persönlich betroffen. In einem Brief von Professor Georg Sidler (1831‒1907) werden die universitären Debatten betreffend der weiblichen Dozierendenschaft ersichtlich: «[Man] spöttelt über das Auftreten einer Dame als Dozentin eines solchen ‹Frauenzimmerfachs›, wie [man] die Aesthetik nennt.» Doch nicht nur solche Vorurteile erschütterten Tumarkin, sondern auch die beängstigenden Nachrichten aus ihrer Heimat. Mehrere Pogrome fanden in den Jahren 1903 und 1905 in ihrer Heimatstadt Kischinew/Chişinău statt.

Bericht in der Berner Tageszeitung "Der Bund" vom 29. April 1903 über die Judenverfolgungen in Kischinew/Chişinău
Bericht in der Berner Tageszeitung Der Bund vom 29. April 1903 über die Judenverfolgungen in Kischinew/Chişinău, die Tumarkin stark getroffen haben mussten.

Tumarkins Sorge um ihre Verwandten fand ihren Höhepunkt im Holocaust. Ihr Grossneffe Moura Konstaninowsky benachrichtigte Tumarkin 1945 über das Schicksal ihrer ermordeten Familie: «Vous êtes, je crois, la seule survivante de cette famille si prospere et heureuse dans le temps.» 

Autorinnen: Noëlle Billaud und Franziska Michel