Die Pionierinnen an der Universität Bern kamen aus Osteuropa
Die Öffnung des Studiums für Frauen in der Schweiz ist ohne die Pionierinnen aus Osteuropa nicht zu verstehen. Über 40 Jahre lang, von 1874 bis 1914, dominierten in Bern unter den Studentinnen die weitgereisten jungen Frauen aus dem Zarenreich. Sie machten bisweilen fast 90 Prozent der weiblichen Studierendenschaft aus. Für ein Studium hatten sie vieles auf sich genommen; sie waren wissbegierig und voller Tatendrang, dafür erfuhren sie sowohl Neid als auch Bewunderung. Manche von ihnen eckten an, irritierten und waren im Schweizer Satiremagazin Nebelspalter ein Dauerthema: als Revolutionärinnen und Bombenlegerinnen, als kurzhaarige, bebrillte, androgyne Wesen oder als moderne Hexen und Giftmischerinnen im weissen Laborkittel.
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Andere schlossen in der Schweiz lebenslange Freundschaften oder gingen Ehen ein. Sie waren Pionierinnen, Türöffnerinnen und Wegbereiterinnen für Schweizer Akademikerinnen. Erst mit Ausbruch des Ersten Weltkriegs nahm der Anteil Schweizer Studentinnen deutlich zu. 1928 resümierte Hedwig Anneler (1888-1969) in ihrer Abhandlung zum Frauenstudium in Bern: «Ohne diese Fremdlinge hätten wir den Weg in die Hochschule vielleicht noch später und noch seltener gefunden.»
Autorin: Julia Richers
Bildquelle: Nebelspalter, Jg. 33, Nr. 47, 23. November 1907